Wacken Open Air 2018
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Neuer Tag – neue Hitze

Ohne viel Schnickschnack erreichen DARK TRANQUILLITY auf der Louder Stage mit emotionsgeladenem Melodic Death Metal die Herzen ihrer Gefolgschaft. Die Lautstärke ist zunächst noch recht gering. Dafür drehen die Schweden umso mehr an den Sympathiereglern: Die bandinterne Harmonie scheint greifbar. Das musikalische Repertoire bedient sich hauptsächlich des “Atoma“-Albums und weniger alter Stücke wie “Lost To Apathy“.

Sowohl in den klaren Vocals als auch im kratzigen Growling von Sänger Mikael Stanne finden sich Kraft und Leidenschaft im Überfluss. Instrumental wie gesanglich liefern DARK TRANQUILLITY ganz großes Kino!

Apropos skandinavische Leidenschaft: Bei der vielleicht unpassendsten Überschneidung im diesjährigen Line-up muss sich der Fan nordischen Metals zwischen Schweden und Finnland entscheiden. Auf der Faster-Hauptbühne geben sich nämlich AMORPHIS die Ehre. Wie keine andere Band ihres Landes schaffen sie es schon seit Jahrzehnten, Geschichten aus der finnischen Mythologie packend in die Metal-Gegenwart zu transportieren. Zum Glück muss hier also schon beim neuen „The Bee“ kein Funke mehr überspringen.
Es herrscht übrigens sengende Mittagshitze in Wacken. Trotz allem finden sich Tausende auf dem glühenden Platz vor der Bühne ein. An dieser Stelle muss bewundernd festgestellt werden, wie mit den mehr als 40 Wasserfüllstationen (kurz vor Festivalstart nochmals aufgestockt) wirklich gefährliche Situationen vermieden wurden. Respekt!
Der Growl- wie auch Klargesang beherrschende Tomi Joutsen heizt derweil die Fans mit einem Hit nach dem anderen weiter auf.

Wenn das Keyboard mit dem Tempo der Flying-V-Gitarre mithält und ein gefühltes Drittel des Publikums von den letzten Rängen vor die Bühne surft, ist eines klar: Die Hatecrew steht wieder auf dem Plan! Seit ’98 beehren CHILDREN OF BODOM das Wacken Open Air nun schon zum achten Mal und haben die Massen immer noch voll im Griff. Die Wacken-Wüste feiert Gitarrengott Alexi Laiho, der mit Evergreens wie “Needled 24/7“, “Are You Dead Yet?“ und “In Your Face“ routiniert durch die staubige Luft prescht.

All jene, die Schatten suchen und trotzdem auf die Mütze wollen, sind indes bei DESTRUCTION auf der Wet Stage genau richtig. Der Andrang ist gewaltig. DESTRUCTION geben den Takt dazu vor – Thrash Metal zum Mitgrölen mit einer Prise Heavy Metal, der vor allem im Gesang durchblitzt. Die Stimmung ist ausgelassen; überall bilden sich kleine Mosh und Circle Pits.

DORO gibt vor allem die Hits zum Besten, die sie mit ihrer alten Band WARLOCK berühmt gemacht haben. Prominente Verstärkung auf der Bühne gibt es auch: Mit ihren Jugendhelden Andy Scott und Peter Lincoln von THE SWEET covert sie “The Ballroom Blitz”. Oberwikinger Johan Hegg von AMON AMARTH wird heftiger begrüßt – mit ihm gibt sie gleich zwei Midtempo-Songs zum Besten. Klar, beide sind auf ihre Art hundert Prozent true und verkörpern so die etwas theatralische Beauty-Beast-Thematik perfekt.

Mehr noch als auf ALESTORM, die mit ihrem Piraten-Schunkel-Metal „We Are Here to Drink Your Beer“ und massenhaft auf dem Boden sitzenden Fans das Piratenboot auch über den heiligen Acker rudern, warten in diesem Jahr viele Fans aus aller Welt (Chile-, Schweden- und Brasilienflaggen gesichtet) nur auf einen: Er nennt sich Rock ’n’ Rolf und gehört zu RUNNING WILD. Eine deutsche Kultband, die so gut wie keine Touren spielt und seit Jahren in der Heimat nicht zu sehen war. Dafür entern sie Wacken im Sturm und feiern tatsächlich mit brillantem Sound das schon 30jährige Jubiläum ihres bekanntesten Albums „Port Royal“. Wie zeitlos Störtebeker-Hymnen wie „Bad To The Bone“ oder „Under Jolly Roger“ doch sind.

Gegen Mitternacht stehen OTTO (Waalkes) & DIE FRIESENJUNGS auf der krass gemixten Bühne. Wohl nur wenige wussten, dass Ott schon weit vor seiner Comedy-Karriere Musik machte und die Gitarre blind beherrscht. Kann man durchgehen lassen.

Ein riesiger einarmiger Bandit kündigt die Band auf einer großen Leinwand an. Als alle Felder auf GHOST stehen, schreit das Publikum begeistert auf. Vor einer gigantischen kirchlichen Theaterkulisse steht nun Frontmann Tobias Forge mit seinen sieben nameless Ghouls. Elegant und einheitlich in schwarzem Frack gekleidet, die Köpfe mit silbernen Teufelsmasken geschmückt, bewegen sie sich agil über die Bühne und gehen neben ihrem Sänger keineswegs unter. Jeder einzelne von ihnen scheint sein Instrument in Perfektion zu beherrschen. Mit dabei natürlich “Dance Macabre“ vom jüngsten Album “Prequelle“ und der obligatorische Abgang zu “Monstrance Clock“ mit dem Anliegen, auch in dieser Nacht dem weiblichen Orgasmus zu frönen.