Wacken Open Air 2014
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Samstag

Die Sonne strahlt bereits erbarmungslos auf die Fans, die erwartungsvoll vor der Bühne ausharren, um ARCH ENEMY und Alissa White-Gluz die Ehre zu erweisen. Alissa tritt in die großen Fußstapfen ihrer Vorgängerin Angela Gossow, zeigt dabei sogar ein größeres Klangspektrum, am hörbar wohlsten fühlt sie sich aber mit den neuen Songs von "War Eternal", wovon es nach dem Opener 'Yesterday Is Dead And Gone' auch gleich den Titeltrack auf die Ohren gibt. Aber auch die restliche Band spielt heute ein Konzert vom obersten Regal, die Soli flitzen, die Beats sitzen. Die Fans lassen sich vom Wetter nichts sagen und treiben es mit Circle Pits und ähnlichen schweißtreibenden Dingen wild. Was für eine Party! Alissa bedankt sich für die freundliche Aufnahme und bittet mit 'Nemesis' nochmal zum letzten Tanz. ARCH ENEMY hat definitiv alles richtig gemacht und erlebt mit neuer Frontdame den zweiten Frühling. Stark!

Vor der Party Stage lauern die Fans derweil auf PRONGs Tommy Victor und seine Begleitmannschaft, die nicht nur vor kurzem ein starkes neues Album veröffentlicht, sondern auch bereits eine Tour in diesem Jahr gespielt haben. Somit groovt die Hölle und bietet ein herrliches Kontrastprogramm zum Sound auf der großen Bühne. Der Sound ist aufs Wesentliche reduziert, Bass, Schlagzeug und Gitarre tönen mindestens so trocken wie der Wacken-Staub vor der Bühne, Ansagen und Stageacting tragen dem ebenfalls Rechnung. Doch Victor und Co. sind um jeden Fan dankbar, der ihnen heute einen Besuch abstattet und geben alles. Ob 'Power Of The Damager', 'Snap Your Fingers, Snap Your Neck' oder 'Whose Fist Is This Anyway?', die knackigen Hits der Truppe werden gnadenlos abgefeuert und sorgen für Bewegung und breites Grinsen bei den Anwesenden. PRONG ist und bleibt einfach eine tolle Liveband, die immer Energie freisetzt und so den letzten Tag des Festivals perfekt einläutet. Und so verlasse ich nach einem kräftigen Weckruf die Party Stage, auf der Suche nach einem echten SKID-ROW-Frühstück.
Setlist: Eternal Heat, Lost And Found, Ruining Lives, Unconditional, Beg To Differ, Turnover, Carved Into Stone, Revenge...Best Served Cold, Whose Fist Is This Anyway?, Snap Your Fingers, Snap Your Neck, Power Of The Damager, Another Worldly Device

Die sengende Mittagshitze am letzten Festivaltag ist durchaus eine Hürde, die genommen werden will. SODOM kümmert das alles wenig und zaubert eine richtig starke Show auf die Metal-Bretter, welche in keinerlei Hinsicht auffällig, sondern einfach nur verdammt gut ist. Es gibt 'Agent Orange' zur Eröffnung (!) und anschließend eine wunderbar bunte Setlist, die 60 Minuten lang heruntergezimmert wird. Angelripper ist bester Laune, das Publikum ebenfalls und selbst dem Soundmann scheint die mit Sicherheit kurze Nacht nicht mehr in den Knochen zu stecken. Mit diesem Auftritt hätte man SODOM auch zu jeder späteren Zeit auftreten lassen können, aber vielleicht war es einfach ein kluger Schachzug, recht große Bands (wie ARCH ENEMY zuvor oder BEHEMOTH im Anschluss) zu so früher Stunde auf die Meute loszulassen. SODOM macht jedenfalls alles richtig und liefert ein Konzert allererster metallischer Güte ab, bei dem mir schlichtweg kein Kritikpunkt einfallen will. "The saw is the law!"

Auch wenn man Nergal das Herzblut seiner Show ohne Zweifel abnimmt, ist es schon eine große Inszenierung, der man hier in der Mittagshitze beiwohnt. Und natürlich wäre der gleiche Auftritt im Dunkeln noch effektvoller gewesen. Die Setlist ist ein Traum: Angefangen bei neuerem Material von "The Satanist" ('Ora Pro Nobis Lucifer') über "Demigod"-Klassiker ('Slaves Shall Serve') bis hin zu alten Hymnen ('Chant For Eschaton 2000') sitzt einfach alles. Ein Konzert, das sowohl für die Augen als auch die Ohren mehr liefert, als man während der 75 Minuten eigentlich aufnehmen kann. Daher dominiert nach den letzten Tönen von 'O Father O Satan O Sun!' auch primär ein Gefühl: Die Vorfreude auf den nächsten BEHEMOTH-Gig.

AMON AMARTH legt nach einem kleinen Intro gleich die Bühne mit einem Feuerwerk in Schutt und Asche. Die Kulisse der beiden Drachen, welche rechts und links neben dem Schlagzeug aufgebaut wurde, ist spektakulär. Die Bühnenshow profitiert nicht nur von der gewaltigen Kulisse und den Pyro-Effekten, sondern auch von der Agilität von Frontmann Johan Hegg. Er kombiniert den Wikinger-Look von AMON AMARTH mit sympathischen Lachen und grinsen sowie freundlichen Anfeuern der Gemeinde. Die ersten drei Songs sind vom letzten Album "Deceiver Of The Gods" und überzeugen, insbesondere als Johan sich auf die Drachenköpfen stellte. Daraufhin ist die Menge nicht mehr zu halten. Es gibt mehrere Circle Pits und und viele Crowdsurfer. Das gesamte Festival-Gelände ist gefüllt und die Stimmung von AMON AMARTH sorgt für mächtig Bewegung. Stillstehen Fehlanzeige. Mit den Kultsongs 'For Victory Or Death' oder dem letzten Song 'The Pursuit Of Vikings' sind sowohl die Band als auch die Fans gemeinsam am feiern.
Setlist: Father Of The Wolf, Deceiver Of The Gods, As Loke Falls, Varyags Of Miklagaard, For Victory Or Death, Guardians Of Asgaard, Cry Of The Black Birds, We Shall Destroy, Asator, War Of The Gods, Victorious March, Twilight Of The Thunder God, The Pursuit Of Vikings

Dave "the Mouth" Mustaine kommt nach Wacken! Pünktlich um 20.30 dröhnt ein Intro aus den Boxen, über die drei Leinwände auf der Bühne flirren Graphiken. Doch auf einmal bricht das Intro ab und alle gucken sich etwas verdutzt an. Langsam werden die ersten ungeduldig und auf einmal stehen sie doch auf der Bühne und spielen 'Hangar 18'. Doch man hört nichts. Nach ein paar Takten ist auch das behoben und jetzt läuft es wie geölt. Es folgt ein Feuerwerk an Hits - Von 'Wake Up Dead', In My Darkest Hour', 'Skin O' My Teeth', 'Sweating Bullets' (mit einem überzeugenden Dave als Psycho) über 'Symphony Of Destruction' bis 'Holy Wars'. Der beste Mann MEGADETHs ist heute zumindest Gitarrist Chris Broderick. Er weiß das Publikum zu animieren und etwas Bewegung in die zähe Menge zu bringen. Dave Mustaine selbst wirkt etwas abwesend, wenn er was sagt, ist es wortkarg und nicht sehr kreativ.

Tobias Sammet ist inzwischen fast so oft in Wacken wie DORO, mal mit EDGUY und nun schon zum dritten Mal mit seinem Projekt AVANTASIA, das die Rolle des Quasi-Headliners am Samstag übernimmt. Entsprechend voll ist es inzwischen vor der Hauptbühne geworden, wenn nicht ganz Wacken, so ist doch der größte Teil angetreten, um sich die süßliche Mischung aus Bombast und Kitsch mit wechselnden Sängern anzuschauen.
Setlist: Spectres, Invoke The Machine, The Scarecrow, The Story Ain't Over, Prelude, Reach Out For The Light, Avantasia, What's Left Of Me, Dying For An Angel, Farewell, Shelter From The Rain, The Great Mystery, Twisted Mind, Promised Land, Lost In Space, Sign Of The Cross / The Seven Angels

Zwei Feuer-Engel betreten die Bühne und umrahmen den Auftakt zu einem sehr New-School-lastigen KREATOR-Auftritt; lediglich 'Endless Pain', 'Pleasure To Kill' und das schließende Doppel 'Flag Of Hate'/'Tormentor' sind Kracher früherer Stunden. Mille und seine Mannen gehen aber auch so selbstbewusst und mit viel Freude an der Sache durch den Gig, der somit eher von "neuen Klassikern" ('Enemy Of God', 'Violient Revolution', 'Phobia') lebt. Dabei ist die Bühne ist mit allerhand Kram im "Phantom Antichrist"-Stil vollgepackt, was ansehnlich, aber wenig wichtig ist. Denn jeder, der hier vor der Bühne steht, weiß genau, was er von KREATOR will: Zum einen von 1A-Thrash niedergebrettert und zum anderen von Herrn Petrozza, wie immer mit dem einen oder anderen Brüller auf den Lippen, mal so richtig angebrüllt zu werden. Beides gelingt heute gut, wenngleich der klare, aber doch zu leise Sound dem Gänsehauterlebnis ein wenig im Wege steht. Auch wenn ich KREATOR insgesamt schon bissiger erlebt habe, war das ein sehr feiner Gig.

Pro:
- die neue Geländeaufteilung und Einlass-Schleusen
- das Wetter
- die Stimmung auf dem Festivalgelände

Contra:
- schale Getränke (nicht sooo viel vorzapfen...)
- Sound teilweise zu leise

Wir danken: Holger, Thomas und dem W:O:A-Team sowie allen, die unsere Arbeit vor, während und nach dem Festival unterstützt haben (you know who you are...)